Am 20.11. hatten die Bürgermeister der vom Vorhaben 89 betroffenen Gemeinden aus dem Kreis Warendorf zu einer Info-Veranstaltung in die Festhalle Everswinkel eingeladen. Es war eine richtig gute und sehr beeindruckende Veranstaltung, und mit dabei war ein großer Bahnhof: Zu Gast auf der Bühne waren Vertreter*innen der Bezirksregierung Münster, der Bundesnetzagentur und des Bundesamtes für Strahlenschutz. Im Publikum saß außerdem MdB Henning Rehbaum, um sich vor Ort über das heiße Thema in seinem Wahlkreis zu informieren.
Ja, und Michael Weber von Amprion war natürlich auch da. Nach der Begrüßung durch den Everswinkeler Bürgermeister Sebastian Seidel und einer Einführung durch Moderatorin Dr. Wiebke Borgers gehörten die ersten 15 Minuten Redezeit dem Projektleiter. Er stellte das Unternehmen und das Projekt vor mit den bekannten Folien, allerdings in ungewohnter Kürze.
Anschließend stellte Thomas Hoffmeister-Höfener vom Aktionsbündnis 89 sich in einem Interview den Fragen von Wiebke Borgers. Er stellte die Sorgen der Anwohner und Grundstückseigentümer eindringlich dar, wies auf die zersiedelte Struktur des Münsterlandes hin und zitierte aus dem Protokoll der Antragskonferenz, in dem das von Amprion beauftragte Planungsbüro festgestellt hatte, dass bei Einhaltung der Abstandsvorgabe von 200 m das Münsterland praktisch unpassierbar sei. Er erzählte, wie aus vielen Bürgerinitiativen mit teilweise bis zu 500 Mitgliedern das Aktionsbündnis 89 entstanden ist und gab einige Einblicke in die Arbeit dieses Zusammenschlusses der Bürgerinitiativen entlang des Trassenkorridors. Insbesondere verwies er auf das Gutachten, das die Netzexperten Prof. Dr. Lorenz J. Jarass und Dipl.-Ing. Carsten Siebels für das Aktionsbündnis erstellt haben, und in dem die Autoren mehrere raumschonendere Alternativen zum Vorhaben 89 nennen.
Es folgte etwa eine Stunde Redezeit für die Vertreter*innen der Behörden. Den Anfang machte die Vertreterin der BundesnetzagenturValerie Handschuhzum Thema Bedarfsermittlung für den Netzausbau. Sie stellte die drei Phasen der Bedarfsermittlung vor: Szenariorahmen, Netzentwicklungsplan und Bundesbedarfsplan. Diese Phasen waren auch beim Vorhaben 89 dem laufenden Raumordnungsverfahren vorgeschaltet.
Danach war das Bundesamt für Strahlenschutz dran: Dr. Florian Kohn und Sören Brömme vom Bundesamt für Strahlenschutz informierten über den aktuellen Forschungsstand zur Strahlung von Stromleitungen. Ihrer Einschätzung zufolge ist die Gefahr, die von den elektromagnetischen Feldern einer Höchstspannungsleitung ausgeht, verschwindend gering, selbst direkt unter der Leitung.
Im darauf folgenden Beitrag des Bezirksregierung Münster stellten Ralf Weidmann das Raumordnungsverfahren und Christiane Wienströer das Planfeststellungsverfahren vor. Beide zeigten sich gegenüber den Betroffenen verstädnisvoll und riefen dazu auf, alle Bedenken als Stellungnahme bei der Bezirksregierung einzugeben. Ralf Weidmann war beeindruckt: Er sei schon auf vielen Informationsveranstaltungen gewesen, aber noch nie auf einer so gut besuchten. Er ermunterte die Zuhörer, man solle ruhig alle Argumente einreichen, auch wenn man sich nicht sicher sei. Es sei die Aufgabe der Bezirksregierung, dies zu prüfen.
Im Anschluss gab es für das Publikum die Möglichkeit, den Referenten Fragen zu stellen. Die Teilnehmer konnten ihre Fragen per Handy eingeben und die bereits vorhandenen Fragen mit einem „Daumen hoch“ versehen, sodass die drängendsten Fragen automatisch nach vorne rutschten. So zeigte sich, welche Fragen die Menschen auf dem Herzen hatten, welche Ängste ihnen die Leitung bereitet und wie viel Unsicherheit besteht.
Für den Lichtblick des Abends sorgte am Ende Thomas Hoffmeister-Höfener vom Aktionsbündnis, der dazu aufrief, nicht zuzulassen, dass Politiker und Netzbetreiber bei der Energiewende die Bevölkerung vergessen. Was er gerade erlebe, sei, dass zentralistisch von oben gesagt werde, was gebraucht wird, und den Menschen bliebe im Grunde nur die Rolle des zahlenden Kunden übrig. „Aber das bildet ja nicht das sich immer weiter verändernde Energiesystem ab, wir sind ja auch Player, wir wollen die Energiewende, und wir wollen mitmachen und mit gestalten. Eine Energiewende muss von unten geplant werden, nicht gegen unseren Willen.“ Er wies darauf hin, dass Amprion im Moment dabei sei, mit der Stadt Kreuztal sogar eine Kommune zu enteignen, und er stellte in Richtung Bundespolitik die Frage: „Ist es das, was wir wollen? Stellen wir uns so die Energiewende vor, dass wir Menschen enteignen, dass wir Menschen zwingen? Ich denke, Energiewende müsste ein Transformationsprozess sein, bei dem wir alle mitgehen. Der Kollateralschaden in der Gesellschaft ist schlimm, denn die Menschen verlieren das Vertrauen in die Demokratie.“ Er sei der festen Überzeugung, dass es bessere Lösungen gebe. „Wenn wir das Undenkbare denken und die Leitung nicht gebaut wird: Wir werden andere Lösungen finden — das ist so!“
Das traf absolut den Nerv der Zuhörer. Im ganzen Saal sprangen sie von ihren Stühlen aufund spendeten ihm langanhaltenden Applaus. Und auch die Diskussionsrunde auf der Bühne machte tatsächlich einen etwas betroffenen Eindruck.
Am Ende dieses Tages fühlte ich mich besser informiert. Ein Dankeschön dafür sende ich an die Vertreter*innen der teilnehmenden Behörden. Auch bei allen anderen, die bei der Organisation und Durchführung dieser Veranstaltung beteiligt waren, bedanke ich mich. Es war beeindruckend, wie reibungslos alles funktioniert hat – sei es die Parkplatz-Einweisung durch die Feuerwehr, die digitale Eingangskontrolle, die gut informierte Moderation oder die digitale Fragerunde per Handy-App.
Mein allerherzlichster Dank aber geht an Thomas Hoffmeister-Höfener, der mich mit seinem Beitrag aus einem der vielen Tiefs der letzten Monate herausgeholt hat. Hören wir nicht auf, das Undenkbare zu denken, damit wir vielleicht, ganz vielleicht, eines schönen Tages erleben dürfen, wie das Vorhaben 89 in einer Schublade verschwindet — auf Nimmernimmerwiedersehen.